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Der
frühe Stil von E. S. Tingatinga, Zebra,
Öl auf Hartfaserplatte
Der ursprüngliche Stil von Omari Amonde,
Das Märchen vom Hahn, Öl auf Leinwand
Der frische, moderne Stil von Godfray
Tiamalu, Apokalypse 2012, Öl auf Leinwand
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Die
Tingatinga-Malerei, heute Synonym für die nicht nur dekorative
Malerei
Tansanias, geht auf den Künstler Edward Saidi Tingatinga
zurück: E. S. Tingatinga (1932 - 1972), heute längst
zur
Legende avanciert, konnte sich als Autodidakt und vielleicht einer der
ersten echten afrikanisschen Bohemians einen grossen Namen von
weltweiter Bekanntheit erarbeiten. Tingatinga stammte aus Nakapanya im
Tunduru Distrikt im
Süden Tansanias, seine Kindheit und Jugend war dort von Armut
überschattet, auch reichte das Geld lediglich zum Besuch der
Grundschule. Tingatinga war schon früh verantwortlich
für
seinen Lebensunterhalt und -nachdem seine Mutter
1953 verstorben war- auch
für den seiner jüngeren Geschwister. Einige Jahre
später verliess
Tingatinga sein Heimatdorf da er auf einer Plantage für sich
und
seine Geschwister Arbeit gefunden hatte. 1960 machte er sich dann auf
den Weg nach Dar es Salaam wo er zuerst bei einer Cousine
unterkam und -nachdem er mehrere Jobs annahm- um seine
Geschwister dann nachzuholen. Tingatinga verdingte sich in dieser Zeit
u. A. als Gärtner und als Koch. Nachdem seine Arbeitgeber ihm
wieder mal den Dienst quittierten, versuchte Tingatinga sich als
fliegender Händler in Oyster Bay / Dar es Salaam, er verkaufte
recht geschickt zahlreiche Produkte des täglichen Bedarfs und
trainierte dabei sicherlich sein Verkaufstalent das ihm
zukünftig
noch sehr nützlich sein sollte. Nebenbei nahm er auch
gelegentliche Auftragsarbeiten zur Verschönerung von
Hauswänden an, die er dann im Stil der traditionellen
Wandmalereien seiner Heimatregion bemalte, wobei ihm hier sein Talent
als Künstler allmählich bewusst wurde.
Inspiriert von den dekorativen Gemälden einiger Kongolesischen
Maler, die in der Oyster Bay an Touristen verkauft wurden, beschloss
Tingatinga seinen Stil der
ursprünglichen, traditionellen Wandmalerei in handliche,
transportable -und damit an Touristen
verkäufliche- Gemälde umzuformulieren. Die
Materialien
hierfür mussten günstig und robust sein, robust auch
dahingehend, dass diese einen tropischen Regenguss
müheloss überstehen konnten, da sie ja auf
der Strasse
verkauft werden sollten. Tingatinga begann nun
zuerst die klassischen Tiermotive seiner Heimat
zu malen und vervollkommte bald seinen frischen, unverbildeten, naiven
Stil, der zum Markenzeichen und Ausgangspunkt einer recht grossen
zukünftigen Kunstrichtung werden sollte.
Zeitgleich konnte Tingatinga einen festen Job als Helfer im staatlichen
Krankenhaus ergattern und hatte nun erstmals eine bescheidene, aber
dauerhaft gesicherte Existenz vor Augen die ihn jedoch nicht vom Malen
abhielt, lediglich der Verkauf wurde nun von seiner Ehefrau Agatha
Mataka organisiert (zwischenzeitlich hatte Tingatinga geheiratet und
eine kleine Familie gegründet). Seine Frau stellte seine
Bilder
unter freiem Himmel aus, lediglich durch einen grossen Baum
geschützt und es fanden sich bald Käufer, vornehmlich
aus
Skandinavien.
Mit steigendem Verkaufserfolg -und nachdem ihm von der "National
Development Cooperation to provide Art" zugesagt wurde, dass ein
bestimmtes Kontingent seiner Gemälde zum Festpreis abgenommen
werden würde- entschloss sich nun Tingatinga 1971 den Job im
Krankenhaus zu quittieren und sich vollends der Malerei zu widmen.
Der immer grössere Erfolg machte es bald notwendig Helfer zu
beschäftigen die die Nebenarbeiten erledigten und zudem in der
Malerei
unterrichtet wurden. Einige hatten tatsächlich das
erforderliche
Talent eigene Kreationen zu erschaffen, zu diesen zählten
u. A. Adeusi,
Mpata, Ajaba, Tedo und Omari Amonde(Amonde
ist der einzige heute 2012
noch lebende Maler der ersten Generation der Tingatinga-Schule).
Weitere berühmte Maler der frühen Zeit sind Damian
Msagula, David Mzunguno, Peter Martin.
Der finanzielle Aufschwung, der mit dem Erfolg einherging,
ermöglichte Tingatinga nun viele Freiheiten die auch
ausgiebig,
meist zusammen mit seinen Schülern, ausgekostet wurden: Dazu
gehörte auch die Teilnahme am Nachtleben Dar es Salaams; einige
Eindrücke dieser Phase wurden dabei auch in den Bildern
thematisiert, so z. B. Szenen von Ausschweifungen, Sexualität
und
Gewalt die den Bildern eine unerwartete neue künstlerische
Tiefe
verliehen.
Die Tingatinga-Malerei ist, trotz der modernen Umsetzung, tief in der
afrikanischen Tradition verwurzelt: Oft sind die alten Geisterwesen,
Fabeln und Glaubensvorstellungen thematisiert oder dezent angedeutet
und auf vielen Gemälden teilen sich nach wie vor indirekt die
Stile der alten Masken sowie formale Ansätze der
traditionellen
afrikanischen Kunst mit. Edward Saidi Tingatinga war zu Lebzeiten, wie
so viele andere Künstler, auf den Verkauf seiner
Gemälde
angewiesen, trotzdem ist es ihm als Autodidakt geglückt nicht
nur
den Geschmack seiner Käufer zu reflektieren sondern sich
selbst
und seiner Tradition treu zu bleiben.
Edward Saidi Tingatinga wurde 1972 Opfer einer Polizeiaktion bei der er
versehentlich von einem Querschläger tödlich
getroffen wurde.
Damit wurde eine nur wenige Jahre währende -und bereits
eindrucksvolle Künstlerkarriere- gewaltsam beendet. Die Kunst
Tingatingas sollte jedoch weiterbestehen, auch die Idee seiner
Malschule, denn In der Folgezeit konnten seine
ehemaligen Schüler die Schule fortführen sowie eigene
Werkstätten gründen, es
entstanden dabei auch zahlreiche neue Unterstile der Tingtinga-Malerei
die sich bis heute immer weiterentwickelt haben. Längst haben
die
Werke von Tingatinga, auch die einiger seiner Schüler und
Nachfolger, den Weg in die grossen Museen gefunden wobei der
Unterschied zu den heute weit verbreiteten Schnellmalereien, speziell
für Touristen, augenfällig ist: Die
Tingatinga-Malerei
ist
in den Touristengebieten Tansanias prägend, längst
beschränkt sich die Malerei nicht mehr auf die Ursprungsregion
um
Dar es Salaam: Es wurden Zweige weit im Hinterland, z. B. in Arusha,
gegründet, selbst im Nachbarland Kenia ist diese beliebte Form
der
Malerei bereits angekommen und wird auch dort fleissig kopiert, es
bleibt nicht aus, dass hier Serien produziert werden und Motive und
Stile
reproduziert werden, die sicher nicht immer den
Qualitätsansprüchen der eigentlichen
Tingatinga-Schule gerecht
werden.
Abseits des Massenmarktes für Touristen bietet sich dem
Sammler heute ein breites Spektrum der Kunst
der Nachfolger der Tingatinga-Schule und es empfielt sich
daher besonders unter qualitativen und originären
Gesichtspunkten
zu selektieren.
Hier boten sich durchaus bereits interssante
Wertsteigerungspotentiale: Die Gemälde von Edward Saidi
Tingatinga
werden heute im Standartformat von 60 x 60 cm zu Preisen von bis zu
7000 US$ aufgerufen, dies ist umso interessanter wenn man bedenkt, dass
diese zu Lebzeiten Tingatingas schon ab 7 US$ in Dar es
Salaam
erhältlich waren.
Das beste Ergebnis (in Höhe von 55.000 US$) erzielte bislang
das Gemälde GOLD
SPOTTED LEOPARD & FRIEND THE SONGBIRD
von Rabaju Chiwaya der sich erst 1974, also 2 Jahre nach dem Tode
Tingatingas, der Schule anschloss und somit bereits zur 2. Generation
gerechnet werden kann. Das grosse Talent von Chiwaya hatte allerdings
auch höhere Verkaufspreise vor Ort zur Folge, 1974 musste man
immerhin schon 30 US$ anlegen, je nach Verhandlungsgeschick,
trotzdem sind Chiwayas Gemälde heute recht werthaltige
"Reisesouvenire".
Längst gehört die frühe Tingatinga-Schule in
ihrer Vielfalt und
ihren Anfängen bereits zur "Historie of Art" des afrikanischen
Kontinents und es bleibt spannend abzuwarten, ob
qualitätsvolle
Stücke auch in Zukunft ähnlich attraktive
Wertentwicklungen
erfahren werden.
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